Eine Frau und ein Mann halten gemeinsam ein Handbediengerät, im Vordergrund und Hintergrund sind Industrieroboter zu sehen.

Technische Übersetzungen im Fokus: HMI und Bedienschnittstellen

Human-Machine Interfaces, kurz HMIs, sind Schnittstellen zwischen uns Menschen und den Maschinen, die wir nutzen. In der Praxis handelt es sich dabei zumeist um Bedienfelder oder Touch-Displays, über die das Personal die Maschinen eines Unternehmens überwacht und steuert. Beim Übersetzen von HMI-Inhalten stellen sich ganz besondere Herausforderungen, die mit professioneller Unterstützung gemeistert werden können. Denn zusätzlich zur Sprach- und Übersetzungskompetenz bedarf es viel Erfahrung, um für jedes Projekt die passenden Abläufe und Bedingungen zu schaffen. So wird sichergestellt, dass sich Mensch und Maschine am Ende auch wirklich verstehen. In diesem Blog-Artikel werfen wir einen Blick auf die Besonderheiten von HMI-Texten und die Herausforderungen, die sich daraus ergeben.

 

HMI-Übersetzungen – Software-Lokalisierung mit speziellen Anforderungen

In Sachen Software-Lokalisierung gibt es verschiedene Anwendungsbeispiele, wie Benutzeroberflächen von mobilen Apps und Desktop-Anwendungen oder eben HMIs. Der Übersetzungsprozess ist oft ähnlich. Vieles, was man allgemein bei der Software-Lokalisierung beachten muss, gilt auch für HMIs:

Kurze Texte = begrenzter Platz

Software-Inhalte unterliegen einer strengen Längenbegrenzung. Je nach Sprachenpaar kann es jedoch vorkommen, dass die Zielsprache tendenziell länger ist (eine deutsche Übersetzung kann zum Beispiel schnell bis zu 30 % länger werden als ein englischer Ausgangstext). Idealerweise wird dies beim Design der Benutzeroberfläche mitbedacht und die Schaltflächen werden bereits in der Ausgangssprache so großzügig wie möglich angelegt. Oftmals ist der Platz allerdings schon im Ausgangstext so begrenzt, dass der Text rigoros abgekürzt wird. Diese Abkürzungen müssen dann richtig verstanden und ebenso kurz übersetzt werden – und am Ende sollen sie natürlich trotzdem eindeutig verständlich sein. Eine Herausforderung.

Einzelne Inhalte = begrenzter Kontext

Beim Übersetzen liegen in der Regel die Inhalte ohne viel Kontext vor. In vielen Fällen ist es aber unerlässlich, zu wissen, worauf sich ein Element bezieht. Kann die Software selbst nicht zur Verfügung gestellt werden, bieten sich hier Screenshots an. Beispielsweise kann „Start“ eine Schaltfläche sein, aber auch ein Element einer Grafik, ein Menüpunkt, ein Eingabefeld usw. Wiederholungen und alte Übersetzungen können also nicht ungeprüft übernommen werden. Im Vergleich zu anderen Übersetzungen muss man hier daher mit einem erhöhten Aufwand für das Abgleichen mit dem jeweiligen Kontext und Kontrollschleifen planen.

Screenshot aus Übersetzungs-Tool (CAT-Tool). 3 Segmente mit Ausgangstext "Start", die jeweils unterschiedlich übersetzt sind. Im Ausgangstext wurden von der Autorin Komentarblasen eingefügt. Segment 1: "Ein", Kommentar: "Einschalttaste"; Segment 2: "Anlaufzeit", Kommentar: "Eingabefeld"; Segment 3: "Erste Schritte", Kommentar: "Tutorial-Menü". Alle drei Segmente sind 101%-Matches, Wiederholungen sind ausgeschaltet. Hier ebenfalls Kommentare: "101 = Exaktes Match im Translation Memory"; "Automatische Wiederholungen müssen deaktiviert werden".

Beispiel für die unterschiedliche Übersetzung von „Start“: so sehen es die Übersetzer:innen

Tags und Variablen = Bastelarbeit

In Software-Texten sind fast immer Tags, Variablen oder andere Elemente der Programmierung enthalten. Hier ist besondere Vorsicht geboten:
Zunächst muss beim Übersetzen sichergestellt werden, dass keines dieser Elemente verloren geht, da die Software sonst natürlich nicht wie gewünscht funktioniert. Darüber hinaus muss man penibel darauf achten, dass sich alles am richtigen Platz befindet. Der Satzbau ist nicht in allen Sprachen gleich und so müssen auch Tags und Variablen ggf. an anderer Stelle im Satz stehen. Solche Unterschiede in der Grammatik machen es manchmal unmöglich, Programmierelemente einfach wie im Ausgangstext zu übernehmen. Zum Teil ist es daher echte Bastelarbeit, alle Elemente korrekt unterzubringen.

HMI-Übersetzung folgt Prinzipien der technischen Übersetzung

Bei HMI-Inhalten kommt noch hinzu, dass vor allem technische Informationen übersetzt werden müssen, es sich somit eigentlich um eine technische Übersetzung handelt. Damit gehen wiederum eigene Anforderungen einher:

Sicherheit und Effizienz

Eine gut übersetzte HMI trägt zu einer sicheren Arbeitsumgebung bei und ermöglicht ein effizientes Arbeiten der Maschine.

Verständlichkeit und Eindeutigkeit

Diese Anforderung gilt natürlich für alle Übersetzungen. Hier ist es aber besonders wichtig, dass die Übersetzung für das Bedienpersonal gut verständlich ist und dass es keinerlei Zweideutigkeiten gibt – beispielsweise bei der Angabe von Einheiten (z. B. US-amerikanische und metrische Einheiten).

Terminologie und Konsistenz

Eine solide Terminologiearbeit und die konsistente Verwendung von immer gleichen Übersetzungen, auch über verschiedene Aufträge eines Kunden hinweg, tragen entscheidend zur Sicherheit und Verständlichkeit sowie zu einer intuitiven Bedienung bei. Bei der Lokalisierung von HMIs sollte daher ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden.

Unter diesem Gesichtspunkt ist es empfehlenswert, Handbücher und HMI gemeinsam zu übersetzen, um zu gewährleisten, dass Menüelemente und Parameter stets gleich benannt werden. Andernfalls kann es vorkommen, dass in der Bedienungsanleitung steht „Auf die Schaltfläche ‚Zurücksetzen‘ tippen“, die Schaltfläche in der HMI aber „Reset“ benannt wurde. Falls ein gleichzeitiges Übersetzen nicht möglich ist, müssen die HMI-Texte mit den Inhalten der Handbücher abgeglichen werden, damit sich das Bedienpersonal später zurechtfinden kann.

Beim Übersetzen von HMIs sind 2 Dinge entscheidend: gute Kommunikation und hilfreicher Kontext

Wer HMIs übersetzen lassen will, sollte bedenken, dass Übersetzer:innen für diese Aufträge mehr brauchen als nur die Textinhalte der HMI. Lassen Sie sich am besten von Ihrem Sprachdienstleister in Bezug auf den Übersetzungsprozess und die Voraussetzungen für eine gelungene Übersetzung beraten. Denn es müssen verschiedenste Faktoren berücksichtigt werden: Dateiformate, Zeichenbegrenzungen (basierend auf der Anzahl an Zeichen vs. Länge im Verhältnis zum Ausgangstext), Vorgängerversionen, bereits vorhandene Übersetzungen, Stand der Entwicklung der HMI (fertige HMI vs. agile Programmierung) usw.

Eine gute Kommunikation sorgt dafür, dass Anforderungen und Erwartungen genau geklärt und erfüllt werden. Im Idealfall entwickeln Sie gemeinsam mit Ihrem Sprachdienstleister ein individuelles Workflow-Konzept, das alle Besonderheiten Ihres Projekts berücksichtigt.
Darüber hinaus sollten Sie sich auch überlegen, wie Sie mit Rückfragen umgehen, beispielsweise für den Fall, dass für einzelne Inhalte kein Kontext vorliegt. So ist bei aufkommenden Fragen sofort klar, wer dafür verantwortlich ist – sonst landen sie vielleicht bei einer Person auf dem Tisch, die gerade Tausend andere Dinge zu erledigen hat.

Darum sollten Sie beim Übersetzen von HMI-Inhalten Kontext bereitstellen

Ein Beispiel aus der Praxis: In einem englischen Ausgangstext kommt in der zu übersetzenden Datei dreimal „Start“ als einzelnes Segment vor. Alle drei haben einen anderen Kontext und können nicht zwangsläufig gleich übersetzt werden:

  • Das erste „Start“ ist eine Schaltfläche zum Einschalten der Maschine – hier kann man auf Deutsch auch getrost „Start“ beibehalten. Es ginge aber auch „Ein“ oder „An“. Für welche Variante man sich entscheidet, kann auch von Referenzmaterialien abhängen: Gibt es ein Handbuch der Vorgängerversion? Falls ja, bietet es sich an, die dort verwendete Variante zu übernehmen, um den Umstieg auf die neue Version durch eine intuitivere Bedienung zu erleichtern.
  • Das zweite „Start“ ist ein Eingabefeld unter dem Menüpunkt „Operating time“, also der Betriebszeit. Auch hier gibt es verschiedene Optionen: Wenn sonst überall von „Einschaltzeit“ oder „Anlaufzeit“ die Rede ist, sollte das im besten Fall berücksichtigt werden. Aber auch „Start“ ist wieder eine mögliche Lösung.
  • Das dritte „Start“ ist ein Menüpunkt, unter dem man Tutorials und Hilfeseiten findet. In diesem Fall würde man auf Deutsch eher so etwas wie „Erste Schritte“ verwenden. „Start“ wäre dagegen weniger passend.

Dieses Beispiel veranschaulicht, wie wichtig es ist, dass Übersetzer:innen entweder Zugang zur HMI selbst oder aber Screenshots zur Verfügung haben. In manchen Fällen kann es sich auch anbieten, gewisse Informationen im Ausgangstext gleich mit bereitzustellen. Handelt es sich beispielsweise um eine Excel-Tabelle können hier Kommentare mit Hinweisen, Links oder Screenshots eingefügt werden.

HMI-Aktualisierungen bringen noch weitere spezielle Anforderungen an die Übersetzung mit sich

Kontext ist aber auch noch in einer anderen Hinsicht entscheidend: bei Aktualisierungen. Gerade, wenn man mit Translation Memories arbeitet, müssen neu hinzugefügte Texte immer geprüft werden. Nur, weil man im Memory die Übersetzung für „Start“ findet, heißt das nicht, dass diese Übersetzung auch für die neu hinzugefügte Funktion die passende ist. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Übersetzer:innen bei solchen Updates Zugang zu den bisherigen Übersetzungen haben, um eine konsistente Verwendung der Terminologie zu gewährleisten.

Ganz gleich, um welche Art von HMI-Lokalisierungsprojekt es sich auch handelt: In Absprache mit Ihrem Sprachdienstleister können Sie genau den richtigen Workflow finden und sicherstellen, dass alle Beteiligten die nötigen Informationen zur Verfügung haben, um gute Arbeit zu leisten und Ihr Projekt erfolgreich umzusetzen.

Und was denken Sie?

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