Die Auswirkungen von mangelhaftem Terminologiemanagement – Eine fiktive Fallstudie

Diese leicht überspitzte, aber doch zutreffende fiktive Fallbeschreibung am Beispiel Spielwaren-Quietschi erzählt anschaulich, was passieren kann, wenn Unternehmen ihr Terminologiemanagement vernachlässigen. Wir finden den Artikel amüsant zu lesen und außerordentlich präzise, sodass wir ihn Ihnen nicht vorenthalten möchten.
Falls Sie bisher noch nicht über Terminologiemanagement nachgedacht haben, können Sie hier einige interessante Denkanstöße finden.

Sprachverwirrung bei Spielwaren-Quietschi

Alles beginnt mit der Entwicklung einer neuen Babyrassel, interne Bezeichnung Rassel 127. Diese klingelt wie eine Glocke, statt wie gewöhnliche Rasseln mit Reiskörnern zu scheppern. Die Rassel 127 besteht aus drei Bauteilen: Kugel, Glocke und Griff, die auch im Teilestamm der Firma so bezeichnet werden.

Das Kind erhält viele Namen

Rassel 127 ist keine tragfähige Bezeichnung für Vertrieb und Marketing. Sie taufen das Produkt daher um in Ringel, gebildet aus Rassel und Klingel.

In der Dokumentationsabteilung verfasst ein technischer Redakteur den „Beipackzettel“, der auf Gefahren hinweist und Pflegetipps enthält. Da allerdings niemand auf der Welt weiß, was eine Ringel ist, verwendet er ein anderes Wort: Klingelrassel. Und da niemand vollkommen ist, erscheint an einer Stelle auch die alternative Benennung Glockenrassel. In der Konstruktionsabteilung sprechen einige später sogar von der Rasselklingel und der Rasselglocke und die hausinternen Kritiker des neuen Produktes von Rassel, neue Generation.

Der technische Redakteur ändert auch die Teilebenennungen gleich mit, weil die „matchcodefähigen“ Bezeichnungen aus dem Teilestamm ihm ungeeignet erscheinen. Er verwendet Ball (da es eine große Rassel ist), Klingel und Halter.

Nun ziehen Quietschis Vertreter mit dem Produkt übers Land. Anfänglich aus Gaudi, später aus Gewohnheit, etabliert sich unter ihnen das Wort Rappel für die Rassel 127, die offiziell Ringel heißt, intern aber meist Klingelrassel. In den Spielzeugläden und Einkaufsabteilungen der Großversandhäuser schwärmen sie fortan von der Rappel. Da man dort kaum Werbematerial liest, erfährt kaum jemand, dass das Produkt offiziell als Ringel gehandelt wird.

Resümieren wir bis hierhin. Zum neuen Produkt gibt es inzwischen folgende Terminologie:

Produkt Teile
Rassel 127, Ringel, Klingelrassel, Glockenrassel, Rasselklingel, Rasselglocke, Rappel Kugel = Ball
Glocke = Klingel
Griff = Halter

Die Verständigungsprobleme beginnen

Mit der Ringel-Rappel-Klingelrassel-127, neue Generation, gibt es im Markt bald Probleme. Deren Mordslärm ist nur vom Geschrei unzufriedener Babys zu übertönen. Und außerdem brechen die Griffe bzw. Halter ab. Kein Wunder, dass aufgebrachte Mütter das Ding zurück in die Kaufhäuser tragen. Anrufe bei Spielwaren-Quietschi folgen. Ein Vorgang im Schnelldurchlauf:

Ein Einkäufer ruft bei Quietschis Vertriebsabteilung an und beschwert sich über die Rappeln. Der Innendienstler hat keine Ahnung davon, dass von der Ringel die Rede ist. Er ruft den technischen Redakteur an und beschreibt ihm das Problem mit der Rappel. Im logischen Denken geübt und mit Sprachverwirrung vertraut, folgert der Redakteur, dass die Klingelrassel gemeint ist. „Ach jetzt weiß ich, was sie meinen“, stöhnt er nach 5 Minuten, „die neuen Klingelrasseln. Sprechen Sie doch mit der Konstruktion über das Problem.“

Der Vertriebsinnendienstler spricht nun mit dem Konstrukteur über die Probleme mit den Klingelrasseln und beschreibt, dass deren Griffe abbrechen. Der Konstrukteur versteht nicht, worum es geht. „Nennen Sie mir doch mal die Typennummer des beanstandeten Produktes“, grunzt er ungeduldig in den Hörer. Die hat der geplagte Vertriebsmensch nicht. Aber er erklärt wortreich, was für ein Produkt er meint. Und beim Konstrukteur fällt der Groschen. Der Geschäftsleitung kann der Konstrukteur daher beim Mittagstisch mitteilen, dass es leider ein Problem mit der Ringel gibt. „Womit?“, fragt der Chef.

Die Kosten mangelnder Terminologie

Was hat dieses Verständigungsproblem bei nur einem Vorfall gekostet?

Zeitverluste:

  • Beteiligt waren fünf Personen: Einkäufer, Vertriebsinnendienstler, Redakteur, Konstrukteur, Chef.
  • Es wurden vier Gespräche geführt.
  • In jedem Gespräch gingen jeweils 1 bis 2 Minuten durch das Verständigungsproblem verloren.
  • 4 Gespräche x 2 Minuten x 2 Personen je Gespräch = 16 Minuten!

Mögliche weitere Folgen:

  • Falsche Ersatzteile werden geliefert, zurückgesandt und neu geliefert.
  • Der durch den Produktfehler schon frustrierte Einkäufer erhält den Eindruck, bei Quietschi sei man inkompetent, und bestellt künftig anderswo.

 

Mit freundlicher Genehmigung der GFT GmbH. Aus: Schulz, Martin (2003): Terminologie als wirtschaftlicher Faktor. GFT Verlag, S. 10–11.

 

Und was denken Sie?

Wie hält Ihr Unternehmen es mit dem Terminologiemanagement? Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht wie die Mitarbeiter von Quietschi? Hat der Artikel Sie inspiriert, etwas zu verändern oder Sie auf Ihrem bisherigen Weg bestätigt?

Gerne sprechen wir mit Ihnen über Ihr Terminologiemanagement.

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Tel.: +49 (0)511 1695048

 

 

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